„Ihr Ratschlag ist grotesk.“

Vor gut 2,5 Jahren (Anfang 2015) habe ich die Seite „Online Marketing Strategie“ geschrieben, wo ich meine Ansichten dazu beschrieben habe, wie ich einzelne Marketing Taktiken (wie z.B. SEO oder Social Media) im Gesamtkontext sehe.

Darin habe ich folgenden Satz geschrieben, der anscheinend bei einem Leser eine ziemlich starke Reaktion ausgelöst hat:

„Die Konkurrenz weiss auch nicht besser als Sie, wie sie im Internet Kunden erreichen. Ich würde daher davon abraten, einfach die gleichen Marketing Taktiken wie Ihre Rivalen einzusetzen.“

Der Leser hat mir (anonym) folgende Nachricht (mit Zitat des Satzes von oben) geschrieben:

Am besten geben Sie noch Heute Coop, Pepsi und AMAG Bescheid, dass sie nicht die selben Marketing Taktiken wie Migros, Coca Cola und Emil Frey anwenden sollen.

Ihr Ratschlag ist grotesk. Man folgt immer der Konkurrenz, denn nur wenn Mitbewerber es besser wissen oder besser können, werden sie zur Konkurrenz. Sonst sind sie egal. Und dann setzt man noch einen drauf.

Wer versucht einfach anders zu sein, hat keine Chance. Hat ein Pizza Service in Deutschland auch gemerkt. Die haben beschlossen als einzige nicht an Grün-Weiss-Rot, den italienischen Landesfarben, festzuhalten und stattdessen Blau-Gelb zu nehmen um nicht der Konkurrenz zu folgen. Die gingen nur aufgrund dessen Pleite. Sie waren nicht etwa deren Berater, oder? 😀

Da hat sich jemand an einem Sonntag Nachmittag extra die Mühe gemacht, um mir seine Meinung mitzuteilen (und da es nicht als öffentlicher Kommentar, sondern per Mail mit falscher Absender-Adresse geschickt wurde, kann es auch nicht einfach nur ein Troll gewesen sein).

Das freut mich, weswegen ich mir ebenfalls gerne die Mühe mache und mit diesem Artikel Stellung beziehe.

Denn:

  1. Obwohl ich primär auf Webdesign & SEO (als Teildisziplinen des Online Marketing) spezialisiert bin, werde ich zum Thema Online Marketing gefunden. Dabei gäbe es unzählige Online Marketing Agenturen und Experten. Irgendetwas mache ich also richtig (und anders 😉 ).
  2. Entweder man erzeugt eine Reaktion. Oder man wird schlicht übersehen. Und wenn man eine Reaktion erzeugt, dann immer sowohl positiv, als auch negativ. Es ist also immer schön zu sehen, dass ich eine Reaktion hervorrufe (was man ja auch an den ganzen Kommentaren im Blog sieht).
  3. Eisen wird durch Eisen geschärft: Nur wer sein Wissen und seine Meinung hinterfragt und auf den Prüfstand stellt, kann weiterwachsen. Was ich hiermit gerne mache 🙂

Also, warum rate ich davon ab, es einfach der Konkurrenz nachzumachen?

Legen wir los:

„Nur wer es besser weiss oder kann, wird zur Konkurrenz.“

Das halte ich persönlich für eine etwas naive Ansicht:

In Blindtests zum Geschmack gewinnt Pepsi immer und immer wieder gegen die klassische Coke.

Und trotzdem wird Pepsi Coca-Cola wohl nie vom Thron stossen können und Nummer 2 bleiben.

Ausser (und hier wird es interessant) in Ländern, in denen Pepsi vor Coca-Cola in den Markt eingetreten ist. Hier bleibt Pepsi die Nummer 1 (z.B. in Saudi Arabien), obwohl Coca-Cola als einer der teuersten Marken der Welt nichts unversucht lässt, um Pepsi auch in diesen Ländern hinter sich zu lassen.

Anderes aktuelles Beispiel aus der Schweiz:

Der Online Marktplatz Siroop.ch, der geschätzt 140 Millionen Franken in den Sand gesetzt hat und nun komplett geschlossen wird.

Hinter diesem Projekt standen mit der Swisscom und Coop ziemlich grosse Player, die den Online Markt mit Siroop aufmischen wollten.

Schon damals hatte ich mich gefragt, was denn an Siroop anders sein sollte. Für mich als Konsument gab es schlicht keinen Grund zu Siroop zu wechseln, weil sie irgendwie versuchten genau gleich wie alle anderen grossen Online Shops alà Digitec, Galaxus, Zalando, Amazon, etc. zu sein.

Nur eben ein bisschen „besser und grösser“. Was ja nicht wirklich geklappt hat.

Jaja, ich weiss, im Nachhinein weiss es immer jeder besser. Aber ich erinnere mich noch genau daran, weil ich via XING von einem Siroop Recruiter angefragt wurde, ob ich Interesse hätte zum Team zu kommen (noch bevor der Brand Siroop öffentlich bekannt gemacht wurde).

Oder nehmen wir ein regionales Beispiel aus Schaffhausen:

Das bekannteste Umzugsunternehmen in Schaffhausen sind wohl die Gebrüder Gonzalez mit ihren schlichten Plakaten und der simplen Botschaft „Zügled Si gern? Nei? Aber mir!“ (diese sind sogar einem meiner Kunden aus Zürich auf dem Weg zu meinem Büro in Schaffhausen aufgefallen).

Die Konkurrenz besteht aus unzähligen gesichtslosen „XYZ Umzüge AG“ Firmen, an die sich niemand erinnert.

Sind die Gebrüder Gonzalez tatsächlich besser, als alle anderen Zügelfirmen? Wie wollen Sie objektiv die Qualität verschiedener Zügelunternehmen überhaupt messen?

Gut genug ist gut genug: Solange der Umzug schnell, zuverlässig und ohne Brüche vonstatten geht, ist der Kunde zufrieden.

Nein, die Gebrüder Gonzalez sind bekannt und erfolgreich geworden, weil sie anders sind. Und eben nicht einfach nur „den besten Umzugsservice bieten“.

Was mich zur zweiten Aussage bringt:

„Wer versucht einfach anders zu sein, hat keine Chance.“

Das halte ich nicht nur für eine 100% falsche, sondern vor allem auch für eine ziemlich traurige Überzeugung.

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der nur Nachahmer Erfolg hätten.

Zum Glück ist das überhaupt nicht so.

Natürlich führt nur anders sein alleine nicht per se zum Erfolg.

Aber:

Nur wer anders ist und sich von der Konkurrenz abhebt, kann wirklich einen Durchbruch erzielen.

Bleiben wir bei dem anfangs genannten Beispiel:

Ich bezweifle stark, dass die „falschen“ Farben bei dem Pizza Lieferant in Deutschland auch nur ansatzweise irgendetwas mit dem Misserfolg zu tun hatte:

Wissen Sie, wer der grösste Pizzakurier in der Schweiz ist? Dieci.ch.

Wissen Sie, welche Farbe dieser verwendet? Ein simples Schwarz-Weiss.

Die Frage, die sich der erwähnte Lieferservice meiner Meinung nach hätte stellen müssen:

Womit können wir uns abheben und anders sein?

„Anders sein“. Oder anders ausgedrückt: Einen USP (Unique Selling Proposition) haben

Das Pizza Beispiel ist perfekt:

Sie haben sicherlich schon einmal vom USP (Unique Selling Proposition, auf Deutsch Alleinstellungsmerkmal) gehört, welcher 1940 vom Werbepionier Rosser Reeves geprägt wurde.

Hier ein klassisches Beispiel aus der Marketing Literatur, wie ein USP (oder eben, „anders sein“, und nicht einfach nur „besser“) zum Erfolg führt:

Der USP/Slogan von Domino’s Pizza ist/war (frei übersetzt):

„Eine frische, heisse Pizza in 30 Minuten oder schneller – Garantiert.“

Der heute grösste Pizza Lieferant der Welt wurde nicht gross, weil er besser schmeckende Pizzen machte bzw. versprach (im Gegensatz zu allen anderen Pizza Lieferanten), sondern dass diese innerhalb 30 Minuten bei Ihnen sind – oder gratis sind.

Und apropos „Blau-Gelb“:

Wussten Sie, dass die Ikea Restaurants auf Platz 8 der grössten Gastroketten Deutschlands sind (mit 221,1 Millionen Euro Umsatz)?

Sie stimmen mir sicherlich zu, dass die Ikea Restaurants mit ihren Köttbullar und 1 Franken Hotdogs definitiv nicht „besser“ sind.

Aber definitiv einzigartig und „anders“.

Ist mein Ratschlag also grotesk?

Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass dem nicht so ist. Wie Sie sehen, habe ich mir das schliesslich nicht alles einfach selbst ausgedacht.

Aber wer weiss, das dürfen Sie natürlich gerne selber entscheiden – oder hier in den Kommentaren Ihre Meinung dazu teilen 🙂

Michael Brütsch

Webdesigner & WordPress Experte: Ich kreiere WordPress Websites, die Google liebt (aka Suchmaschinenoptimierung / SEO).

4 Gedanken zu „„Ihr Ratschlag ist grotesk.““

  1. Lieber Michael

    Besten Dank für deinen spannenden Beitrag. Ich bin über deinen Beitrag zur DSGVO auf deine Seite gestossen, und „arbeite“ mich gerade durch deine anderen Artikel durch.

    Bei diesem Thema teile ich deine Meinung allerdings nur bedingt.

    Aus der Reihe zu tanzen kann wie du beschreibst wirklich wirklich erfolgreich sein – aber eben auch komplett in die Hose gehen.

    In meinen Augen ist ein Mittelweg das Optimum für KMUs. Anders sein als die anderen, aber immer noch so, dass die Kunden nicht komplett erschreckt werden.

    Liebe Grüsse aus Binningen (bei Basel)
    Simon

    Antworten
    • Hallo Simon,

      Vielen Dank für Deinen Kommentar. Man muss natürlich nicht gleicher Meinung sein 😉

      Du hast nicht geschrieben, wo genau Du anderer Meinung bist. Natürlich muss das, was man anders macht, auch tatsächlich Sinn machen für den Kunden. Ich sage auch nicht, dass jedes „Anders sein“ automatisch zum Durchbruch führt. Oder man gar nichts gleich wie die Konkurrenz machen darf. Im Gegenteil: Der grösste Teil vom eigenen Angebot/Produkt wird natürlich gleich bleiben. Eine Pizza bleibt eine Pizza und wird im Prinzip immer gleich gemacht (um beim Beispiel zu bleiben).

      Das ist meiner Meinung nach also kein Widerspruch zum Grundprinzip „USP“ oder dem, was ich geschrieben habe 🙂

      Beste Grüsse aus Schaffhausen zurück,
      Michael

      Antworten
  2. Hi Michael

    Ich bin gerade über deinen Blog gestossen und musste bei diesem Blog-Beitrag richtig schmunzeln. Es gibt leider immer Trolle auf der Welt, die nichts besseres zu tun haben als andere zu kritisieren, ein Gesicht zeigen würden sie allerdings nie.
    Ich bin auch grösstenteils deiner Meinung, ich denke jeder muss versuchen sich über einen oder mehrere USPs zu profilieren. Ich glaube aber auch, dass man bei den Grossen sehr gut auch etwas abgucken kann. Nicht nur um zu schauen, was sie gut machen (und was man kopieren könnte) sondern eben auch um zu sehen, wo sie nicht so gut sind, vielleicht kann man da ja anknüpfen.

    Viel Erfolg weiterhin!
    Natalia

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    • Hallo Natalia,

      Freut mich, dass der Artikel gut ankommt, hat auch Spass gemacht zum Schreiben 🙂

      Da stimme ich zu: Es macht auf jeden Fall Sinn zu schauen, was die Grossen (oder auch Kleinen) machen und was man daraus lernen kann.

      Vielen Dank für den Kommentar und natürlich ebenfalls weiterhin viel Erfolg 🙂
      Michae

      Antworten

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